Positionspapier Fachausschuss

Positionspapier Fachausschuss "Alter und Technik" (DGGG)

Positionspapier (Entwurf): „Den digitalen Wandel im höheren Lebensalter in Deutschland gestalten – Jetzt oder nie"

Ausgewählte Empfehlungen im Vollzitat. Stand 05.07.2022 (Juni 2022)

Stand: Juni 2022

Das Positionspapier konzentriert sich auf fünf Schlüsselbereiche:

  1. Digitalisierung als Chance für gelingendes Altern in sozialer Teilhabe und Partizipation
  2. Digital Divide (mit besonderem Fokus auf „technikferne“ ältere Menschen)
  3. Digitalisierung in der Langzeitpflege
  4. Qualifizierungsoffensive zur Vermittlung digitaler Kompetenzen
  5. Ethische Fragen, Haltungen und Einstellungen


Position 1

Bereits existierende Freiwilligeninitiativen, Aktivitäten von Kirchengemeinden und Begegnungsstätten oder Volkshochschulen sollen zur Sensibilisierung und Befähigung im Kontext des Themas Digitalisierung genutzt werden. In möglichst niederschwelliger Zugangsweise könnten sich dabei alte Menschen Schritt für Schritt mit digitaler Technik vertraut machen. Gewohnte Kanäle wie Telefon (z. B. „Klöntelefon“) und bereits existierende gesellige Kontaktformen sind als erste Strategien sinnvoll, um bestehende Zugänge zu wenig technikaffinen Menschen zu nutzen, erste digitale Erfahrungen zu ermöglichen und Hemmschwellen abzubauen. In diesem Rahmen kann der digitale Kompetenzerwerb „en passant“ erfolgen, die Hinführung an digitale Technologien mit dem positiven Gemeinschaftserleben verknüpft werden. Zusätzlich können geschulte Freiwillige dabei als „digitale Mittler“ ihr Wissen weitergeben (auch als „peer-to-peer“-Ansatz5) und bei der Anwendung technischer Systeme begleiten. Damit entsteht ein attraktives neues Feld, das die Optionen im Bereich der Strukturen des Freiwilligen/ Bürgerschaftlichen Engagements sinnvoll erweitert. Das Motto sollte lauten: Brücken bauen zu digitalen Techniken über vorhandene Alltagskontakte und -begegnungsformen.

Das Wohnumfeld und das Wohnquartier bieten sich für eher niedrigschwellige Zugänge beim Aufbau digitaler Kompetenzen an. Wenn der persönliche Zugewinn digitaler Vernetzung mit Personen in der Nachbarschaft unmittelbar erlebbar wird, erhöht das die Motivation für weiteren digitalen Kompetenzerwerb und die Nutzung digitaler Technologien. Dazu kann zunächst an analoge Strukturen und traditionelle Netzwerke angedockt werden, die auf digitalem Wege eine Intensivierung und Erweiterung erfahren können. Zusätzliche Wirkung in Sozialraum und Quartier kann durch die Qualifizierung und den Einsatz von Digitalmentor*innen erzielt werden, die dazu beitragen, die reale Nachbarschaft zu einer auch virtuell gelebten Nachbarschaft zu erweitern. Digitale Plattformen und Nachbarschaftsportale ermöglichen dabei Vernetzung, soziale Teilhabe und Partizipation im Sozialraum. Allerdings zeigt das Beispiel einiger einschlägiger Anbieter, dass Plattformen auch Regularien und Kontrolle brauchen, um beispielsweise die Einhaltung von Datenschutz zu gewährleisten und der Verbreitung tendenziöser Botschaften entgegenzuwirken.

Kommunale Aufgabe muss es zunächst vorrangig sein, für ein gutes und für alle Bürger*innen zugängliches Internet zu sorgen. Weiter müssen Kommunen im Kontext der Digitalisierung mehr Verantwortung und Steuerungsaufgaben übernehmen. So ist beispielsweise die Entwicklung und Betreibung von digitalen Quartiersplattformen und Nachbarschaftsnetzen als eine Aufgabe im Rahmen der kommunalen Daseinsfürsorge zu sehen. Als neutrale Anbieter kommt den Kommunen auch die Aufgabe zu, Online-Portale für Nachbarschaftsnetze zu unterstützen, zunächst zu moderieren und in einem nächsten Schritt in deren Verantwortung zu überführen. Denn: Die Ermöglichung digitaler Teilhabe ist ein unverzichtbarer Teil kommunaler Daseinsfürsorge in der digitalen Welt.

Vorhandenen Nutzerbarrieren kann auch erfolgreich begegnet werden, indem der Zugang zu digitalen Technologien und Medien an konkrete und reale Bedarfe anknüpft, die den Alltag älterer und alter Menschen bestimmen. So kann beispielsweise das Thema „Altern in der digitalen Welt“ und das Sprechen über Technik im Alltag oder in Veranstaltungen ganz allgemein ein Ansatzpunkt sein, die damit verbundenen Chancen zu thematisieren. Gute Erfahrungen gibt es mit digitalen Patenschaften, beispielsweise im Kontext aktueller Bedarfe und Anforderungen (Z. B. digitale Vereinbarung von Impfterminen). Eine andere Gelegenheit digitale Barrieren abzubauen sind gesellige Angebote, wie beispielsweise ein „smartes Frühstück“, zu dem sich ältere Menschen online verabreden und die vordergründig an andere vorhandene Interessen anknüpfen. Im Kontext der Ermöglichung sozialer Teilhabe, Teilgabe und Partizipation durch digitale Techniken und Medien wird vielfach eine alltagsnahe, bildhafte Sprache bemüht: z. B. das Brückenbild oder die Mittlerfunktion. In Verbindung mit der Beantwortung realer Bedarfe kann die Heranführung an digitale Technologien erfolgen, die den Alltag älterer und alter Menschen erleichtern und unterstützen können. Eine ähnliche Wirkung wird aus der einschlägigen Fachpraxis auch als methodischer Nebeneffekt von geselligen Angeboten für alte Menschen beschrieben.


Die Partizipation künftiger und potenzieller Nutzergruppen ist ein wichtiger Aspekt bei künftiger Technikentwicklung. Allerdings braucht die Einbindung älterer und alter Menschen einen angemessenen Rahmen und die dabei entstehende Dynamik aus differierenden Erwartungen und Sichtweisen muss eine entsprechende Beachtung erfahren. Auch ambivalente Haltungen und Befürchtungen im Kontext der Digitalisierung müssen dabei Raum und Beachtung erfahren. Wenn das nicht gegeben ist, kann schnell das Gefühl einer „Feigenblattpartizipation“ entstehen – das heißt, dass sich die beteiligten Älteren auch instrumentalisiert fühlen können. Die bisherigen Erfahrungen in diesem Kontext sind noch sehr divers und es bedarf hier einer deutlichen Nachsteuerung im geeigneten methodischen Vorgehen. Einbindung und Beteiligung können aber auf jeden Fall mehr Vertrauen in und einen offeneren Umgang mit digitalen Technologien ermöglichen und die Entwicklung digitaler Souveränität älterer und alter Menschen fördern, auch im Kontext von Datenschutz und der Wahrung von Persönlichkeitsrechten.