Sprache: Differenzkriterien nach Hockett

Wie unterscheidet sich menschliche Sprache von Tierkommunikation?

Menschliche Sprache zeichnet sich durch zeitlichen und räumlichen Transfer (10), vielfältiges Kombinieren (11) und Trennung von Laut und Bedeutung (13) aus.

Hockett liefert mit den Differenzkriterien menschlicher Sprache und Tierischer Kommunikation sprachtheoretische Grundannahmen (Kontrovers dazu: Everett 2005)

Differenzkriterien zwischen menschlicher Sprache - Tierkommunikation nach Hockett (via Pöhm 2020):

  1. Vocal-Auditory Channel - Sprechen und Hören: Signale werden durch Schallwellen vom Mund zum Gehör übertragen, nicht visuell, durch Berührung oder auf andere Weise.
  2. Broadcast transmission and directional reception - Ruf und gerichteter Empfang: Ein Signal lässt sich überall in Hörweite hören, seine Quelle kann durch das Gehör ausfindig gemacht werden.
  3. Rapid fading - Transistoriness - Vergänglichkeit des Signals: Die akustischen Signale sind äußerst kurzlebig, die spätere Auswertung ist unmöglich (anders bei Tierfährten oder Schrift).
  4. Interchangeability - Austauschbarkeit: Jeder Sprecher einer Sprache kann eine verstandene sprachliche Mitteilung reproduzieren (im Gegensatz zu den Balzsignalen verschiedener Tierarten, die ausschließlich dem Männchen oder dem Weibchen zur Verfügung stehen).
  5. Total Feedback - Rückkoppelung: Wer spricht, hört sich selbst zu und kann das Gesprochene bedenken (im Gegensatz zu den bei der Tierbalz häufigen visuellen Signalen, die für das balzende Tier selbst unsichtbar sind).
  6. Specialization - Spezialisierung: Die Schallwellen gesprochener Sprache haben ausschließlich Signalfunktion (im Gegensatz zum Hecheln eines Hundes, das physiologische Funktion hat).
  7. Sematnicity - Bedeutungsgehalt: Die Signalelemente tragen Bedeutung durch stabile Bezüge auf die reale Welt (anders als das Hecheln eines Hundes, mit dem dieser nicht »sagt«, dass es ihm heiss ist, sondern das physiologisch zum erhitzten Zustand gehört).
  8. Arbitariness - Willkürlichkit: Die Signalelemente sind nicht vom Wesen der Realität abhängig, auf die sie sich beziehen (während in den »Bienensprache« die Tanzgeschwindigkeit direkt die Entfernung des Nektars vom Bienenstock wiedergibt).
  9. Discreteness - Isolierbare Elemente: Die gesprochene Sprache nutzt nur ein begrenztes Sortiment von Lauten, die sich deutlich voneinander unterscheiden (im Gegensatz zu Knurrgeräuschen oder anderen Lauten der Erregung, die in ihrer Intensität kontinuierlich veränderbar sind.
  10. Displacement- Transfer: Der Mensch kann sich beim Sprechen auf zeitlich oder räumlich distanzierte Dinge beziehen (die meisten Tierschreie sind durch unmittelbare Umweltreize bedingt).
  11. Productivity - Produktivität: Dem Ausdruck und Verständnis von Bedeutung sind keine Grenzen gesetzt; mit Hilfe aller Satzelemente lassen sich immer wieder neue Sätze bilden (während es bei Tierrufen um feste und begrenzte Abfolgen handelt).
  12. Traditional Transmission - Überlieferung: Sprache wird von Generation zu Generation vor allem durch Unterricht und Lernen weitergegeben (während die Fähigkeit von Bienen, Nektarquellen anzugeben, genetisch übertragen wird)
  13. Duality of Patterning - Strukturelle Dualität: Sprachlaute tragen keine eigene Bedeutung, sondern werden auf unterschiedliche Weise zu bedeutungsvermittelnden Elementen (wie Wörtern) kombiniert (anders als Tierrufe, die sich nicht in zwei Strukturebenen unterteilen lassen).

Hockett lässt die Merkmale 6,7, 8 für Primaten gelten, was sicher nur statthaft ist, wenn man Bedeutung und Arbitrarität sehr einfach sieht. Hominoiden schreibt er die Merkmale 11 und 12 noch zu, 10, 11 und 13 sind spezifisch für den Menschen.